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Das Wunder von Kozani

Im Norden von Griechenland hat JUWI den größten bifazialen Solarpark Europas gebaut. Das 204-Megawatt-Projekt konnte allen Widrigkeiten zum Trotz in Rekordzeit fertiggestellt werden.
30.08.2022 | Solar

Es ist eine raue, bergige Region im Norden Griechenlands. Touristen verirren sich eher selten in diesen Teil des Landes. Bekannt ist Westmakedonien und insbesondere Kozani vor allem für die Kohlevorkommen und den Safrananbau. Das teure Gewürz wird in den tieferen Regionen kultiviert und von hier aus in alle Welt exportiert. Weiter oben in den über 2.000 Meter hohen Bergen ist die Landschaft eher karg. Die Vegetation reicht gerade mal, um einigen Hirten mit ihren Tieren als Weideland eine bescheidene Existenz zu ermöglichen. Ackerbau ist hier oben unmöglich. Und trotzdem wird inzwischen geerntet: Sonnenstrom für mehr als 75.000 griechische Haushalte. 

Griechenland will bis 2028 aus der Kohle aussteigen, den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigen. Dass das absolute Vorzeigeprojekt dafür nun in Westmakedonien realisiert wurde, hat durchaus Symbolcharakter. Die Region stand bisher für Kohleabbau und Kohleverstromung. 

Wirtschaftskrise stoppt Solarausbau

Die Idee, hier einen riesigen Solarpark zu bauen, gibt es schon lange, bereits seit 2010. Damals hatte Premierminister Giorgos Papandreou den 200-Megawatt-Park Helios angekündigt, um Sonnenstrom in großem Stil nach Zentraleuropa zu exportieren. Es kam einiges dazwischen: Griechenland geriet 2013 an den Rand der Zahlungsunfähigkeit und durchlitt eine schwere Wirtschaftskrise. Die Pläne des griechischen Staates zum Ausbau der Solarenergie wurden für viele Jahre auf Eis gelegt.

„Es war schlichtweg verboten, neue Solarparks zu planen“, erzählt Takis Sarris, der Geschäftsführer von JUWI Hellas. Seit 2008 arbeitet er für das Unternehmen. Er hat die hoffnungsvolle Entwicklung der Solarindustrie in Griechenland erlebt – und ihren abrupten Niedergang. Nach dem Zusammenbruch zogen sich Unternehmen und Investoren aus dem Markt zurück. JUWI gehörte zu den wenigen ausländischen Unternehmen, die nicht aufgaben. Mit einem kleinem Team, der Betriebsführung von bestehenden Parks und einigen neuen Projekten in der benachbarten Türkei hielt sich die Niederlassung über Wasser. Trotz aller Widrigkeiten: JUWI glaubte an den griechischen Markt. 

Aber selbst für Takis Sarris grenzt es an ein Wunder, dass in seinem Heimatland nach dieser langen Durststrecke nun das größte Projekt der Firmengeschichte realisiert wurde. Es war eine glückliche Fügung, die ihn im Jahr 2017 mit dem lokalen Projektentwickler Vangelis Zagorakis in Kontakt und das Ganze ins Rollen brachte. Zagorakis hatte nämlich rund 15 Kilometer von der Provinzhauptstadt Kozani entfernt einen Solarpark geplant, der genau die Größenordnung hatte, von der der damalige Premierminister Papandreou gesprochen hatte. Während der Wirtschaftskrise hat Zagorakis das Projekt am Leben gehalten, aber um ein 200-Megawatt-Projekt tatsächlich umzusetzen, dafür fehlten ihm die Mittel. Also suchte er einen Käufer. 

Zu jener Zeit hatte JUWI gerade entschieden, seine Projektentwicklungs-Aktivtäten in Griechenland wieder aufzunehmen und ein erstes kleineres Projekt, den Fünf- Megawatt-Solarpark Mesokomo in der Nähe von Thessaloniki, erfolgreich durch die Ausschreibung gebracht. Ein 200-Megawatt-Park ist allerdings eine ganz andere Hausnummer. An seine ersten Gespräche mit dem Management in Deutschland erinnert sich Takis Sarris noch sehr gut: „Bitte hört Euch erst einmal ganz unvoreingenommen an, was ich Euch jetzt erzähle“, begann er zu berichten. So ungewöhnlich das Ansinnen aus dem damaligen Fünf-Mann-Büro in Griechenland war, der griechische Geschäftsführer hatte gute Argumente. Irgendwann war klar: „Diese Chance können wir uns nicht entgehen lassen, auch wenn das kein Spaziergang werden wird.“ JUWI kaufte die Projektrechte. 

Die nächste große Hürde war die Ausschreibung am 15. April 2019: Eine 30-minütige Onlineauktion entschied über Wohl und Wehe des Projekts. Takis Sarris erinnert sich noch sehr gut: Wochenlang hatten er und die Ausschreibungsspezialisten in der deutschen Zentrale eine Bieterstrategie ausgearbeitet, unzählige Rechner waren im Athener Büro von JUWI Hellas aufgebaut. Und dann gelang das, wovon alle geträumt hatten: Alle 18 Teilprojekte erhielten einen Zuschlag, JUWI sicherte sich fast 50 Prozent des gesamten Ausschreibungsvolumens. „Es ist uns nicht nur gelungen, unser gesamtes Projektvolumen durch die Auktion zu bringen, wir haben auch den höchsten Tarif von allen bezuschlagten Solarprojekten erhalten“, berichtet der Geschäftsführer. JUWI sicherte sich für den Kozani-Solarpark eine Vergütung von gut 5,7 Cent pro Kilowattstunde produzierten Ökostrom. Mit diesem Erfolg war der Weg endgültig frei für das Projekt. Die Investoren aus aller Welt standen auf einmal Schlange. 

Solarpark beschäftigt Regierungschefs

Dass das Projekt dann selbst auf allerhöchster Regierungsebene wieder zum Thema wurde, hängt wohl auch mit der Investorenentscheidung zusammen, die JUWI traf. Anfang des Jahres 2020 besuchte der neu gewählte griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin und hatte unter anderem folgende Neuigkeit im Gepäck: Dank eines deutsch-griechischen Gemeinschaftsprojekts in seinem Land sollte ein riesiger Solarpark im Norden Griechenlands gebaut werden. Nach exakt neun Monaten Verhandlung hatte der griechische Energiekonzern Hellenic Petroleum, kurz HELPE, im Februar 2020 den Kaufvertrag unterzeichnet, und Mitsotakis konnte die frohe Botschaft bei seinem Deutschlandbesuch verkünden. Schon in zwei Jahren, so der Plan, sollten die ersten Kilowattstunden Sonnenstrom fließen.

Der ehrgeizige Zeitplan wurde allerdings schon wenige Wochen danach gehörig durcheinandergewirbelt: Die Tinte unter den Verträgen war kaum getrocknet, da brach die Coronapandemie über die Welt herein: Strenge Lockdowns wurden ausgerufen, Behörden arbeiteten nur noch im Notfallbetrieb, Lieferketten kamen durcheinander, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben war massiv gestört. Die Welt kämpfte gegen die Pandemie, und der für Oktober geplante Baustart rückte in weite Ferne. Für einige der 18 Teilprojekte des Kozani-Solarparks mussten noch behördliche Genehmigungen eingeholt werden – und die Ämter in Griechenland waren einfach nicht mehr zu erreichen. 

Jetzt war Flexibilität gefragt: „Im Mai 2020 sind wir auf HELPE zugegangen und haben vorgeschlagen, dass wir, anders als vertraglich vereinbart, mit dem Bau der ersten Einzelprojekte beginnen, bevor für sämtliche Projekte alle Genehmigungen vorliegen. Dadurch mussten wir den Bau zwar länger vorfinanzieren, konnten den Zeitplan aber weitgehend halten“, erinnert sich Sarris. Im November 2020 war tatsächlich Baustart. Mit schwerem Gerät wurden die ersten Flächen für den Solarpark vorbereitet. Zunächst, so der Plan, sollte ein 14-Megawatt-Teilprojekt realisiert werden, das als Blaupause für alle weiteren Bauabschnitte dienen sollte. Ein solches Vorgehen ist auch bei anderen Projekten üblich, es gab allerdings einen wesentlichen Unterschied: In diesem Fall war allein der Musterteil größer als der größte jemals zuvor von JUWI gebaute Solarpark in Griechenland. 

Bis Mitte Februar 2021 dauerte es, bis das erste 14-Megawatt-Teilprojekt realisiert war. „Es war uns sehr wichtig, dass wir nach dem richtigen Prinzip vorgehen und diesen ersten Bauabschnitt sehr sorgfältig mit dem Investor abstimmen“, berichtet Sarris. Das Vorgehen sollte sich auszahlen. Dauerten die ersten 14 Megawatt noch vier Monate, ging es danach in mehr als fünffacher Geschwindigkeit weiter. Dem Bauteam gelang das Kunststück, bis Ende 2021 sämtliche rund 500.000 Module zu installieren. Die durchschnittliche Baugeschwindigkeit lag bei 19 Megawatt pro Monat. 

Welch gewaltiger Planungsaufwand hinter solchen Rekordzeiten steckt, können sich wohl die wenigsten wirklich vorstellen: In Spitzenzeiten waren 450 Bauarbeiter auf der Baustelle aktiv. Der Materialnachschub in die bergige Region musste so organisiert werden, dass er mit der Baugeschwindigkeit Schritt halten konnte. Das griechische JUWI-Team wuchs binnen weniger Monate von knapp zehn auf über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Hinzu kam die Unterstützung der internationalen JUWI-Experten, die Projekte in ähnlichen Dimensionen bereits in anderen Ländern realisiert hatten. 

Waldbrände, Ausgrabungen und Wintereinbruch

Alle Räder griffen perfekt ineinander. Aber es gibt Dinge, die lassen sich nicht planen: Der extrem trockene Sommer 2021 mit Temperaturen von über 40 Grad überzog viele Regionen Griechenlands mit schweren Waldbränden, und auch in Westmakedonien gab es großflächige Brände. Der Solarpark selbst war zwar nicht bedroht, wohl aber einige der umliegenden Dörfer. In dieser Situation spielte der Zeitplan keine Rolle mehr, es ging darum, Menschen und ihr Zuhause zu retten. Also nutzte das Baustellenteam seine schweren Baumaschinen, um Schutzschneisen zu schlagen. Die Rettungsaktion gelang, die Dörfer wurden von den Bränden verschont.  

Als dann im Winter 2021/2022 nur noch die beiden großen Trafostationen gebaut werden mussten, kamen zunächst archäologische Funde und dann das Wetter dazwischen. Dazu muss man wissen, dass in Griechenland quasi bei jedem Bauprojekt eine archäologische Begleitung zwingend notwendig ist. Und die bergige Region galt ohnehin als prähistorisch interessantes Gebiet. Ausgerechnet beim letzten Bauabschnitt stießen die Archäologen dann tatsächlich auf so interessante Funde aus der Kupfer- und Bronzezeit, dass die Arbeiten für mehrere Wochen unterbrochen werden mussten. Ein halbes Dorf wurde freigelegt. Die Funde aus verschiedenen Zeitperioden zeigten eindrucksvoll, wie in verschiedenen Epochen immer wieder an gleicher Stelle Häuser und Straßen übereinander errichtet wurden, Fundament auf Fundament. Inzwischen ist diesen Funden im lokalen Museum ein eigener Raum gewidmet – und JUWI-Beschäftigte, die die Stadt besuchen, haben freien Eintritt.    

Nachdem die archäologischen Arbeiten abgeschlossen waren, zeigte das Wetter dann noch einmal seine extreme Seite. Temperaturen von bis zu minus 30 Grad und ständige Schneefälle mit Schneehöhen von bis zu zwei Metern machten ein Fortkommen unmöglich. Mehrere Anläufe, die Zufahrt zum Solarpark freizuräumen, wurden durch neue Schneefälle zunichte gemacht. Fast zwei Wochen dauerte die extreme Schnee- und Kälteperiode, dann endlich konnte auch mit dem abschließenden Bau der beiden riesigen Hochspannungstrafostationen begonnen werden.

Heute, wenige Monate später, gehört dies zu den vielen Geschichten, die das Projekt hervorgebracht hat. Der Solarpark speist inzwischen Strom ein, und die ersten Daten deuten darauf hin, dass der Ertrag noch über den Erwartungen liegen könnte. Sechs JUWI-Mitarbeiter kümmern sich inzwischen um die Betriebsführung des Solarparks, Bauleiter Dimitris Karapatsidis ist als O&M-Verantwortlicher für den Park einer von ihnen. Keiner kennt den Solarpark so im Detail wie er. Auch die Region wird dauerhaft von dem neuen Solarpark profitieren: 500.000 Euro erhalten die umliegenden Gemeinden jährlich. Damit werden Umweltprojekte finanziert, und die Menschen in den Nachbargemeinden erhalten Zuschüsse für ihren Strombezug. Diese sind so hoch, dass die Bewohner in den kommenden 20 Jahren nicht nur kein Geld mehr für Strom ausgeben müssen, sie können davon sogar Rücklagen bilden. Die Modulreinigung und die Mäharbeiten werden künftig von Hilfskräften aus der Region durchgeführt. Für die Hirten und ihr Vieh wurden längst noch Wege, Ställe und Weideflächen angelegt, und auch sonst hat der Solarpark viel Gutes in die Region gebracht – nicht zuletzt Aufmerksamkeit weit über die Landesgrenzen hinaus. 

Als am 6. April 2022 Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis vor 150 geladenen Gästen und zahlreichen Bauarbeitern den Solarpark offiziell einweihte, da gab es ein riesiges Medienecho. Kozani steht mit einem Mal nicht mehr für Kohle- sondern für Sonnenstrom. Mitsotakis selbst knüpfte in seiner Dankesrede noch einmal an seinen Besuch in Berlin vor gut zwei Jahren an. Dass dieses Projekt trotz aller Widrigkeiten und der Coronapandemie in Rekordzeit fertiggestellt werden konnte, nannte er ein Wunder. Die, die dieses Wunder möglich gemacht hatten, waren dabei. Sie genossen den Moment.

Beeindruckende Dimensionen?

Sehen Sie hier das Video zum Bau des Solarparks

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