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Worum geht es?

Vom Kopf auf die Füße: Beim Auto oft hundertmal höher

In der öffentlichen Diskussion entsteht manchmal der Eindruck, die Windenergie ist nicht Teil der Lösung, sondern Grund allen Übels. Ein Vergleich mit dem Auto kann helfen, die Dinge wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Ob Flächenverbrauch, Infraschall oder Mikroplastik: In der öffentlichen Diskussion um neue Windparks tauchen immer wieder die gleichen Argumente auf. Viel zu viel Platz wird für die Anlagen benötigt, sie produzieren Infraschall und Lärm. Vögel sterben an den rotierenden Blättern und seit neustem wird davor gewarnt, dass Mikroplastik von den Flügeln in die Umwelt gelangt. Wie groß die Auswirkungen der Windenergie auf die Umwelt wirklich sind, zeigt ein Vergleich mit dem Auto. 

Fläche

Nur zwei Prozent von zwei Prozent

Zwei Prozent Deutschlands – so viel Fläche soll nach dem Willen der Bundesregierung langfristig für die Windenergienutzung zur Verfügung stehen. Das scheint zunächst viel. Aber ein Blick in die Daten und aufs Detail zeigt, dass wir unseren Autos deutlich mehr Platz geben.

Zunächst zur Vergleichsgröße: So entfällt in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 2,9 Prozent der Fläche allein auf den Straßenverkehr. Das ist ein Drittel mehr als das, was für die  Windenergienutzung ausgewiesen werden soll. Dabei sind Parkplätze, Garagen oder Tankstellen noch nicht mit einberechnet. 

Dazu kommt: Diese mehr als 9.000 Quadratkilometer sind komplett versiegelt. In Flächen, die für Windparks ausgewiesen werden, ist der versiegelte Anteil pro Windenergieanlage aber gering. Die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) hat für Windenergieanlagen im Wald berechnet, dass durchschnittlich 0,48 Hektar je Anlage dauerhaft gerodet werden – weniger als ein Fußballfeld. 

Tatsächlich versiegelt ist noch einmal eine viel kleinere Fläche: Die durch das Fundament versiegelte Fläche liegt je nach Anlagentyp bei höchstens 0,05 Hektar.

Zudem gilt

Windenergieanlagen stehen nicht Rotorspitze an Rotorspitze, schon aus wirtschaftlichen Gründen, weil dies den Windenergieertrag deutlich schmälern würde. In einem modernen Windpark stehen etwa fünf Windenergieanlagen auf 100 Hektar. Sprich: Gerade einmal zwei Prozent der Fläche sind tatsächlich mit Windenergieanlagen belegt. Das heißt also auch: Ein Großteil der für die Windenergie ausgewiesenen Fläche steht gleichzeitig weiterhin für andere Zwecke wie Land- oder Fortwirtschaft zur Verfügung.

Infraschall

Höchste Dröhnung bei 130 km/h

Infraschall ist Schall, dessen Frequenz unterhalb des menschlichen Hörbereichs, also unterhalb von 16 Hertz liegt. Wir nehmen ihn trotzdem wahr. Wer auf einem Rockkonzert an den Boxen steht, merkt sehr schnell, dass Schall nicht nur über die Ohren, sondern auch mit anderen Sinnen aufgenommen werden kann. Allerdings muss der Schalldruckpegel bei tieffrequenten Geräuschen schon sehr hoch sein, um vom menschlichen Körper überhaupt wahrgenommen zu werden. Dabei gilt: je tiefer der Ton, desto höher muss der Schalldruckpegel sein, um die Wahrnehmungsgrenze zu überschreiten. 

Infraschall kommt überall in der natürlichen Umgebung vor, etwa bei Gewittern oder im Meeresrauschen. Geräte und Maschinen wie Waschmaschinen, Kühlschränke oder Gasheizungen emittieren ebenso Infraschall wie Autos und Windenergieanlagen. Doch wer liegt hier vorn? Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) hat eine Messkampagne durchgeführt, um unterschiedliche Quellen zu vergleichen. Das Ergebnis: Das Auto emittiert deutlich mehr Infraschall als eine Windenergieanlage.

So ging das LUBW vor

An sechs Windenergieanlagen mit Leistungen zwischen 1,8 bis 3,2 Megawatt erfolgten je drei Messungen in circa 150 Metern, 300 Metern und 700 Metern Entfernung. Das Ergebnis: Die Infraschall-Pegel lagen selbst im Nahbereich von 150 Metern für alle gemessenen Anlagen mit 45 bis 75 Dezibel. In 700 Metern Abstand war zu beobachten, dass sich beim Einschalten der Anlage der gemessene Infraschallpegel nicht mehr oder nur in geringem Umfang erhöhte. In dieser Entfernung werde der Infraschall im Wesentlichen vom Wind und nicht von den Anlagen erzeugt, folgerte die Behörde.

Anders im Verkehr: Hier ergaben die Messungen in der Karlsruher Innenstadt Infraschallpegel bis zu mehr als 70 Dezibel, die damit oberhalb der Wahrnehmungsschwelle lagen. Besonders hoch, so stellte sich heraus, lagen sie im Inneren eines fahrenden Autos: Bis zu 105 Dezibel maß das LUBW in einem geschlossenen Pkw bei 130 km/h Fahrt.

Vögel

Im Verkehr sterben 100-mal mehr

Ja, es sterben Vögel an Windenergieanlagen. Laut Schätzungen des Nabu sind es ungefähr 100.000 pro Jahr. Gleichzeitig weisen die Naturschützer darauf hin, dass durch Verkehr deutlich mehr Tiere getötet werden: Bis zu 70 Millionen Tiere sind es pro Jahr! Wenn es um die Verteilung zwischen Bahn und Straße geht, schätzt das Eisenbahnbundesamt, dass bezogen auf den Streckenkilometer mehr Vögel mit Zügen als mit Autos kollidieren. Angesichts der deutlich längeren Straßen- als Schienennetze gehe man aber von einer ungefähr gleich hohen Zahl von Kollisionsopfern aus. Demnach würden pro Jahr 35 Millionen Vögel im Straßenverkehr sterben

Klar ist: Bei all diesen Zahlen handelt es sich um Schätzungen. Allerdings zeigt sich auch, dass sich die so genannten „windkraftsensiblen Arten“ in Deutschland in den vergangen Jahren gut entwickelt haben. So attestierte der Nationale Vogelschutzbericht 2019 Seeadler, Uhu und Schwarzstorch eine gute Bestandsentwicklung. Der Bestand des häufig beim Thema Windenergie diskutierten Rotmilans wurde als „stabil“ eingestuft. Auch andere Arten blieben stabil oder konnten ihren Zustand verbessern

Mikroplastik

Reifenabrieb als Hauptquelle

Mikroplastik findet sich inzwischen fast überall in der Umwelt. Sogar im arktischen Eis wurden kleinste Kunststoffteilchen und -fasern bereits nachgewiesen. Das Problem ist gewaltig: Allein für Deutschland schätzt das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT die Menge auf 330.000 Tonnen pro Jahr! Umgerechnet bedeutet dies: 4.000 Gramm pro Jahr und Einwohner (g cpa/a). Auch der Abrieb von Rotorblättern an Windenergieanlagen soll dafür verantwortlich sein. Doch in welchem Ausmaß?

Die Wissenschaftler des Fraunhofer UMSICHT gingen den Ursachen auf den Grund und ermittelten die „Top Ten“-Verursacher. Auf Platz 1 mit Rekordabstand: der Abrieb von Reifen mit mehr als 1.200 g cpa/a. Allein Pkw verursachen jedes Jahr fast 1.000 Gramm pro Kopf und Jahr. 

Windenergieanlagen tauchen in der Aufstellung des Fraunhofer UMSICHT zwei Mal auf: einmal auf Platz 11 als Unterpunkt „Abrieb Farben und Lacke“. Dieser Bereich verursacht insgesamt 65 g cpa/a. mehr als die Hälfte rechnen die Forscher dem Abrieb von Gebäuden zu. Der Rest wird nicht zugeordnet, verteilt sich aber auf lackiert Flächen, Schiffe und Windenergieanlagen. Eine zweite Erwähnung folgt auf Platz 19: „Abrieb WKA-Kabel durch Torsion“. Hier schlagen 0,02 g cpa/a zu Buche.

Das Fraunhofer Institut für Windenergiesysteme IWES wiederum hat 2019 auf Bitten des Wissenschaftlichen Dienstes eine grobe Abschätzung für Rotorblätter erstellt und kommt auf einen jährlichen Maximalwert von 1.395 Tonnen pro Jahr für alle rund 31.000 Windkraftanlagen in Deutschland. Dabei wurde allerdings vorausgesetzt, dass die Kanten der Blätter ihre komplette Beschichtung verlieren. Dass dies in der Praxis kaum auftritt, dürfte eine realistische Zahl deutlich darunter liegen – und auch deutlich unter den 123.800 Tonnen, die dem Straßenverkehr zuzurechnen sind.