Kontakt
Wir freuen uns auf ein persönliches Gespräch mit Ihnen.
Hier finden Sie die richtige Person für Ihr Anliegen.
Worum geht es?

Perfekte Arbeitsgrundlage

Carsten Bovenschen bewertet die Windenergie-an-Land-Strategie der Bundesregierung positiv. Jetzt komme es darauf an, die Maßnahmen zügig in Gesetze und Verordnungen umzusetzen, sagt der Chef der Juwi-Gruppe im stadt+werk-Interview.

Herr Bovenschen, Sie haben an den beiden Windgipfeln des Bundeswirtschaftsministeriums teilgenommen. Wie bewerten Sie das Format?

Es war genau das richtige Format zur richtigen Zeit. Im ersten Jahr der neuen Bundesregierung sind viele wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, zum Beispiel die große Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das Wind-an-Land-Gesetz mit verbindlichen Flächenzielen für jedes Bundesland und die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes. Viele dieser gesetzlichen Regelungen greifen ineinander, haben Wechselwirkungen und schaffen so die Voraussetzungen für die dringend notwendige Beschleunigung der Energiewende. Nach den vielen Gesetzesänderungen war man sich jedoch einig, dass nun eine konsolidierende Betrachtung aller beschlossenen Maßnahmen notwendig ist, um zu sehen, was bisher erreicht wurde und was noch auf den Weg gebracht werden muss. Als Fazit der beiden Windgipfel lässt sich aus meiner Sicht festhalten, dass sie den Prozess der Windstrategie an Land vom Entwurf bis zur Überarbeitung begleitet und die Einbindung der relevanten Akteure aus Bundesressorts, Ländern, Verbänden und Unternehmen sichergestellt haben. Dies ist vom Vorgehen her sehr zu begrüßen und aus meiner Sicht Best Practice, wie mit entscheidenden Fragen umgegangen werden sollte.

Was denken Sie, werden die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellten Maßnahmen der Windenergie-an-Land-Strategie dem Windkraftausbau genügend Schub geben?

Ein Jurist würde wahrscheinlich sagen: Es kommt darauf an. In der Tat hatten wir noch nie eine so gute Übersicht über die Herausforderungen und die notwendigen Maßnahmen für den Ausbau. Hier hat das Ministerium von Robert Habeck sehr gute Arbeit geleistet und den Input von Verbänden und Unternehmen sehr konzentriert aufbereitet und auf nur 20 Seiten zusammengefasst. Wir haben also mit der Strategie eine nahezu perfekte Arbeitsgrundlage. Jetzt kommt es darauf an, die Maßnahmen zügig und konsequent in Gesetze und Verordnungen umzusetzen und dann – und das ist besonders wichtig – die umsetzenden Ebenen durch konkrete Handlungsanweisungen zu begleiten.

Warum ist das so wichtig?

Derzeit haben wir die Situation, dass beispielsweise die Mitarbeiter in den Genehmigungsbehörden der Länder oft gar nicht wissen, wie sie die neuen Gesetze und Verordnungen auf ihren konkreten Fall anwenden sollen. Hier sind Hilfestellungen des Bundes erforderlich. Für die Umsetzung der EU-Notfallverordnung wird gerade ein solcher Vollzugsleitfaden erarbeitet, den wir auch für viele andere Bereiche brauchen. Wenn uns das gelingt, wir die Maßnahmen also zügig auf den Weg bringen und die Umsetzung begleiten, dann stehen die Chancen gut, dass der Ausbau der Windenergie an Land genügend Schub bekommt, um das Ziel von 160 Gigawatt installierter Leistung bis 2035 zu erreichen.
 

Das Denken muss auch in den Köpfen ankommen.

Carsten Bovenschen
CEO JUWI Gruppe

Wird es gelingen, dass genügend Flächen bereitgestellt werden?

Die Flächenbereitstellung ist mit dem Windflächenbedarfsgesetz auf den richtigen Weg gebracht worden. Allerdings sind die Ziele zeitlich nicht ambitioniert genug: 2027 für eine erste Überprüfung und 2032 für die bundesweite Flächenbereitstellung von zwei Prozent sind zu spät. Darauf haben wir als Unternehmen und auch die Branche frühzeitig hingewiesen. Leider gab es unter den Bundesländern keinen Konsens für ein engagierteres Ziel. Aber: Wir sehen, dass Länder wie Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen ihre Ziele vorziehen, weil sie erkannt haben, dass es ihnen eigentlich nur Vorteile bringt, schneller zu sein.

Wie sieht es beim Thema Genehmigungsverfahren aus?

Die Bundesregierung hat bereits einige kleinere Maßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren umgesetzt. Eine Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren und wird hoffentlich zügig nach der Sommerpause abgeschlossen. Wichtig ist, dass die neuen gesetzlichen Regelungen auch tatsächlich sehr kurzfristig durch Vollzugshinweise umgesetzt werden. Und über das Konkrete hinaus: Wir brauchen eine grundsätzliche Ermöglichungshaltung bei den Genehmigungsbehörden. Wir haben es leider noch viel zu oft mit einer behördlichen Verhinderungsmentalität zu tun.

Wie können die Bedenken der Bürger ausgeräumt werden?

Transparenz über den Nutzen der erneuerbaren Energien in Verbindung mit der Beteiligung an den Projekten sind hier die Schlüsselfaktoren. Noch immer kursieren zu viele Stammtischparolen, welche die Machbarkeit der Energiewende infrage stellen. Was die konkrete Bürgerbeteiligung anbelangt, so werden die Kommunen in Zukunft mit steigendem Ausbau der erneuerbaren Energien auch immer mehr finanzielle Mittel erhalten. Das ist immens wichtig, denn die Vorteile des EE-Ausbaus müssen vor Ort erlebbar sein. Als Projektentwickler konzipieren wir alle unsere Vorhaben so, dass die Mittel auch tatsächlich bei den Kommunen ankommen. Wir verstehen uns hier als Partner der Kommunen. Über diese gesetzliche Möglichkeit hinaus prüfen wir im konkreten Projekt vor Ort die Möglichkeiten weiterer Maßnahmen, wie vergünstigte Stromtarife für die Anwohner, Sparbriefe in Zusammenarbeit mit regionalen Finanzinstituten bis hin zu konkreten Beteiligungsmöglichkeiten der Anwohner an den Anlagen.

Welche Kritikpunkte haben Sie als Projektentwickler?

Wir haben eine umfassende Stellungnahme zur Strategie Wind an Land mit zehn prioritären Punkten eingereicht. Aktuell geht es weiterhin um die zügige Flächenbereitstellung und die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Darüber hinaus brauchen wir eine Anpassung der Realisierungsfristen im EEG, schließlich haben sich die Lieferzeiten für wesentliche Komponenten massiv verlängert. Zudem ist eine sinnvolle Anschlussregelung für die Entwicklung der Höchst¬werte in den Ausschreibungen notwendig. Bei der Flächensicherung ist eine Duldungspflicht für Netzanbindungsleitungen sowie die Nutzung von Wegen wichtig, natürlich gegen eine angemessene finanzielle Entschädigung. Bereits genehmigte Projekte dürfen nicht an der Kabelverlegung scheitern oder daran, dass wir die Anlagen nicht auf die Baustelle bekommen. Last but not least brauchen wir im Artenschutz noch pragmatischere und praktikablere Lösungen. Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes wirft an vielen Stellen mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
 

Das Interview erschien online am 4. August in stadt+werk.